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Aktuelles

 

Verkehrsunfall? Sofort zum Anwalt!

Nach einem Verkehrsunfall stellt sich die Frage, ob sich ein Gang zum Anwalt wirklich lohnt. 

Hier ist folgendes zu berücksichtigen: Meist versuchen die Versicherungen bei unverschuldeten Verkehrsunfällen den Geschädigten sofort anzuschreiben oder telefonisch zu kontaktieren, um ihm sofortige Hilfe in Aussicht zu stellen. Dabei handelt die Versicherung im reinen Eigeninteresse. Es geht ausschließlich um Kostenreduzierung. Die Versicherung versucht das gesamte Regulierungsverfahren an sich zu ziehen, zu kontrollieren und zu lenken. 

Sie haben das Recht, einen Anwalt zu beauftragen!
Die entstehenden Kosten – auch die Anwaltskosten - sind bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall ein durch die Gegenseite zu erstattender Schaden. Weitergehende Ansprüche, wie die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen, die eigene Werkstattwahl, der Bezug eines angemessenen Mietwagens und die Erstattung von Stell- und Abschleppkosten, stellen ebenfalls grundsätzlich erstattungsfähige Schadenspositionen dar. 

An eine Vielzahl der möglichen Schadenspositionen denkt der Laie gar nicht: Etwa an eine am Fahrzeug eingetretene Wertminderung oder an den Nutzungsausfall, der Ihnen bis zum Reparaturende oder der Ersatzbeschaffung zusteht, wenn Sie keinen Mietwagen nehmen. 

Zur Beurteilung von Schmerzensgeldansprüchen ist eine Kenntnis der umfangreichen Rechtsprechung unerlässlich.

Gerade in den Grenzbereichen, in denen es bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens darum geht, ob eine Reparatur sinnvoll ist, oder ob eine Ersatzbeschaffung vorteilhafter erscheint, steht der Laie  der gegnerischen Versicherung überfordert gegenüber.

Eine sofortige Einschaltung des Rechtsanwaltes kann Nachteilen von vornherein entgegenwirken. Ist ein Schadensfall erst einmal zum Teil reguliert, wird es für den Rechtsanwalt immer schwerer Ihre Ansprüche vollumfänglich durchzusetzen, da die „Weichen der Regulierung“ bereits gestellt sind. 

Wer zahlt die Anwaltskosten nach einem Verkehrsunfall?

Und noch einmal. Bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall werden die anfallenden Rechtsanwaltsgebühren vollständig durch den gegnerischen Versicherer erstattet. 

Aber auch wenn Sie davon überzeugt sind, dass Sie den Kfz-Schaden verursacht haben lohnt es sich schnellstmöglich einen Rechtsanwalt einzuschalten. 

Im Rahmen der detaillierten Sachverhaltsprüfung kann festgestellt werden, ob Sie  gegebenenfalls nur eine Teilschuld trifft. Die sich hieraus ergebenden Ansprüche können durch einen Rechtsanwalt ermittelt und durchgesetzt werden. In einem solchen Fall ist eine Kommunikation sowohl mit der gegnerischen, als auch mit der eigenen Versicherung „aus einem Guss“ von Beginn an erforderlich.

Selbst wenn Sie eine Vollkaskoversicherung haben und Sie lediglich eine Teilschuld trifft, ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sinnvoll, um den Schaden gegenüber der Vollkaskoversicherung und/oder dem Unfallgegner korrekt abzurechnen. Hier kommt eine Abrechnung nach Quotenvorrecht zum Tragen, eine absolute Spezialmaterie, mittels derer Sie den maximalen Schadensersatz erhalten können. 

Zahlt meine Rechtsschutzversicherung?

Gerade im Bereich des Verkehrsrechts verfügen viele Menschen über eine Rechtsschutzversicherung, die für die anfallenden Rechtsanwaltsgebühren eintritt. Dies sodann unabhängig von der Schuldfrage. Eine etwaige im Rechtsschutzverhältnis bestehende Selbstbeteiligung hat sich durch die Einschaltung des Rechtsanwaltes und die entsprechende fach- und sachgerechte Fallbearbeitung schnell amortisiert. Für den Fall, dass Sie kein Mitverschulden trifft, ist auch hier eine vollständige Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren durch die gegnerische Versicherung vorzunehmen, sodass Ihnen im Ergebnis keinerlei Kosten entstehen und Ihre Rechtsschutzversicherung nicht beansprucht werden muss. 

Des Weiteren muss sich jeder, der an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt ist, bewusst sein, dass von Seiten der Staatsanwaltschaft gegebenenfalls Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung und/oder weitergehender Straftatbestände eingeleitet werden. Ihre Rechtsschutzversicherung deckt in der Regel die juristische Verteidigung, wobei eine umgehende Beauftragung eines Rechtsanwaltes Handlungen zum eigenen Nachteil vermeiden kann.

Fazit: 

Verkehrsrecht ist eine ausgesprochene Spezialmaterie mit umfangreicher Rechtsprechung und vielfältigen juristischen Überschneidungen, die bis in das Sozial- und Steuerrecht reichen und die bei der Schadensabwicklung zu beachten sind. 

Aus diesem Grund gibt es den spezialisierten Verkehrsrechtler, der Ihnen in dieser unangenehmen Situation nicht nur mit Rat zur Seite steht, sondern den aufwändigen Papierkram der Schadensabwicklung für Sie erledigt, die Regulierung extrem beschleunigt und dafür sorgt, dass Sie vollumfänglich entschädigt werden.

Im Ergebnis kann mithin nur dringend angeraten werden, nach einem Verkehrsunfall, unabhängig von der ersten Situationseinschätzung, sofort einen Rechtsanwalt hinzuziehen, damit die Schadensregulierung, als auch die Vertretung in etwaigen Ordnungswidrigkeiten- oder gar Strafverfahren, von Anfang an aus einem Guss mit Kompetenz erfolgt.

Gerne steht Ihnen hierbei Herr Daniel Linster zur Verfügung.

 

1. Arbeitsrecht

 

- Kündigung

 

Bundesarbeitsgericht = BAG, Urt. v. 26.03.2015 - 2 AZR 483/14: Zugang einer Kündigungserklärung und Zugangsvereitelung

 

Was war passiert? Die Arbeitnehmerin wurde zu einem Personalgespräch gebeten, in dem ihr eine Kündigung überreicht werden sollte. Nachdem ihr die Kündigung hingehalten wurde, verließ die Arbeitnehmerin den Raum. Am Tag danach wollten zwei Mitarbeiter des Arbeitgebers der Arbeitnehmerin die Kündigung daheim übergeben. Die Arbeitnehmerin nahm die Kündigung nicht an und behauptete, die ihr sodann gegen 17:00 Uhr in den Briefkasten geworfene Kündigung sei ihr erst am nächsten Tag zugegangen.

 

Das BAG entschied, dass es für den Zugang einer Kündigung ausreichen kann, wenn die schriftliche Kündigungserklärung der Arbeitnehmerin zu überreichen versucht wird, diese das Schreiben aber nicht annimmt. Auch eine am Nachmittag um 17:00 Uhr in den Briefkasten geworfene Kündigung könne zugehen, wenn die Arbeitnehmerin aufgrund der gesamten Umstände damit habe rechnen können.

 

Kommentar Dr. Oliver Freiburg:

 

Der Fall ist nicht neu. Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitnehmer die ihnen im Personalgespräch vorgehaltene schriftliche Kündigung nicht annehmen und zurückweisen, bei einer Überbringung durch einen Boten die Tür nicht aufmachen oder andere Wege des Zugangs zu vereiteln trachten, z.B. durch Nichtabholung eines Einschreibens mit Rückschein bei der Post. Der Zugang von Willenserklärungen und damit auch Kündigungen ist in § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundlegend geregelt. Danach gilt: "Eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, wird, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie zugeht." (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser juristische Text läßt den Laien etwas ratlos zurück. Was ist mit einer Willenserklärung unter Anwesenden? Was bedeutet "Zugang"? Es ist deshalb kein Wunder, dass um diese Fragen, die so alt sind wie das BGB selbst, immer wieder gestritten wird. An der Kündigung eines Arbeitsvertrages hängt ein ganzer Strauß von Folgen. Die Kündigungsfrist berechnet sich ab dem Zugang. Die Klagefrist von 3 Wochen läuft ebenfalls ab dem Zugang der Kündigung. Letzteres war das entscheidende Problem im Fall des BAG, denn dort hatte die Anwältin der Arbeitnehmerin die Klage je nach Zugang verspätet erhoben. In der Praxis sind beide Seiten deshalb gut beraten, frühzeitig fachlich qualifizierten Rat zu suchen. Eine nicht oder nicht rechtzeitig zugegangene Kündigung kann den Arbeitgeber viel Geld kosten, eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage wird in der Regel zum Untergang einer ansonsten zu zahlenden Abfindung führen. Beides tut (sehr) weh, hüben wie drüben. Zur Veranschaulichung: Würden Sie einen alpinen Gipfel auf einer ausgesetzten Route ohne Bergführer besteigen, ohne jemals Berge bestiegen zu haben, weil Ihnen der Bergführer zu teuer ist? Wenn Sie heil wieder unten sind und die Rechnung der Luftrettung sehen, dann gewiß nicht mehr!

 

 

- Überwachung von Arbeitnehmern

 

BAG, Urt. v. 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13: Schadensersatz wegen heimlicher Videoüberwachung

 

Was war passiert? Die Arbeitnehmerin legte innerhalb von zwei Monaten nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU-Bescheinigungen) vor. Sie gab an, einen Bandscheibenvorfall erlitten zu haben. Das glaubte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin nicht und beauftragte eine Detektei. Diese beobachtete die Arbeitnehmerin an vier Tagen, und zwar das Wohnhaus, sie und ihren Mann mit Hund vor dem Haus und die Arbeitnehmerin beim Besuch in einem Waschsalon. Dabei wurden Videoaufnahmen und eine Observationsbericht erstellt. Die darauf gestützte Kündigung der Arbeitgeberin scheiterte vor dem Arbeitsgericht, auch eine von der Arbeitgeberin erhobene Klage auf Erstattung der Kosten der Detektei. Die Arbeitnehmerin verlangte kehrseitig eine Entschädigung in Höhe von 10.500 €, nämlich drei Bruttomonatsgehälter. Sie habe durch die Obersavation und die Videoüberwachung psychische Beeinträchtigungen erlitten. Lediglich um diesen Schadensersatz der Arbeitnehmerin ging es am Ende.

 

Das BAG entschied, dass die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin eine Entschädigung für die Verletzung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu zahlen habe. Durch einen Privatdetektiv erhobene Daten seien Daten nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), auch das von einer Kamera aufgezeichnete Bild der Arbeitnehmerin. Zwar sei eine Videoüberwachung wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Erkrankung möglich, aber nur unter sehr engen Voraussetzungen, die hier nicht vorgelegen hätten. Es liege auch eine schwere Persönlichkeitsverletzung vor. Die vom Landesarbeitsgericht Hamm zugesprochene Entschädigung von 1.000 € sei im konkreten Fall jedoch ausreichend, weil die Intimsphäre nicht betroffen sei und die Videoaufzeichnungen auch nicht an Dritte weitergegeben wurden, sondern vom Arbeitgeber vertraulich aufbewahrt wurden.

 

Kommentar Dr. Oliver Freiburg:

 

Das Vortäuschen einer Erkrankung berechtigt den Arbeitgeber grundsätzlich zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Aber Vorsicht: Es kommt immer auf alle Umstände des Einzelfalles an. Eine sog. Katalogrechtsprechung zur fristlosen Kündigung gibt es nicht. Der Beweis des Vortäuschens einer Erkrankung fällt dem Arbeitgeber regelmäßig schwer, denn einer AU-Bescheinigung kommt nach der Rechtsprechung ein hoher Beweiswert zu. Nicht selten schaltet der Arbeitgeber deshalb eine Detektei ein, um das Vortäuschen einer Erkrankung beweisen zu können. Es war nicht überraschend, dass das BAG dieser Praxis datenschutzrechtlich und schadensersatzrechtlich Grenzen zog. Das BAG ließ die Arbeitgeber aber nicht ratlos zurück, sondern führte in seinem Urteil aus, unter welchen Voraussetzungen eine solches Vorgehen ausnahmsweise möglich ist. Das ist zu begrüßen, schafft es doch Rechtssicherheit und fallübergreifende Orientierung. Der Arbeitgeber ist gut beraten, zum Mittel einer Videoüberwachung nur aufgrund konkreter und dokumentierter Anhaltspunkte und nur nach sorgfältigster Abwägung zurückzugreifen. Der Arbeitnehmer ist gut beraten, eine Erkrankung nicht vorzutäuschen. Es gilt, im Krankheitsfall auf beiden Seiten fair zu sein.

 

2. Verkehrsrecht

 

- Fahrverbot, Fahrerlaubnisentzug, freiwilliges Fahreignungsseminar

 

OLG Bamberg, Beschl. v. 29.07.2015 - 2 Ss OWi 727/15: kein Absehen vom Fahrverbot wegen drohendem Fahrerlaubnisentzug, auch nicht wegen freiwilliger Teilnahme an einem Fahreignungsseminar

 

Was war passiert? Der Betroffene war bereits wegen mehrerer Ordnungswidrigkeiten, auch Geschwindigkeitsüberschreitungen im sog. Fahreignungsregister (früher: Verkehrszentralregister) eingetragen. Wegen einer (erneuten) Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften wurde gegen ihn eine Geldbuße von 160,00 € und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Ohne Vorahndungen wäre ein Fahrverbot erst bei einer Überschreitung der höchst zulässigen Geschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von mehr als 40 km/h zu erteilen gewesen (innerorts: mehr als 30 km/h). Hier war der Betroffene jedoch mehrmals einschlägig vorgeahndet, auch einschlägig. Das Amtsgericht zeigte sich milde: Da der Verstoß aus seiner Sicht nicht so gravierend war, dem Betroffenen auch beim nächsten Verstoß wegen Erreichens der Punktegrenze (8) ohnehin ein Fahrerlaubnisentzug für mindestens 6 Monate drohte und der Betroffene darüber hinaus freiwillig an einem sog. Fahreignungsseminar (früher: Aufbauseminar) teilgenommen hatte, erhöhte es die Geldbuße auf 300,00 € und strich das Fahrverbot. Das half dem Betroffenen jedoch (vorläufig) nichts, denn die Staatsanwaltschaft erhob Rechtsbeschwerde, der das für Bayern zuständige OLG Bamberg stattgab. Der Betroffene habe beharrlich gegen seine Pflichten als Kfz-Fahrzeugführer verstoßen. Dann komme auch ein Fahrverbot unterhalb der einschlägigen Grenzen für Erstbegehungen in Betracht, auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von lediglich 21 km/h. Der Verzicht auf ein Fahrverbot wegen eines unmittelbar bevorstehenden Fahrerlaubnisentzugs käme einem "Fahrverbots-Freibrief" gleich und verkenne die "Denkzettel- und Besinnungsfunktion" des Fahrverbots. Auch die freiwillige Teilnahme an einem Fahreignungsseminar mache die Denkzettel- und Besinnungsfunktion nicht überflüssig.

 

Kommentar Dr. Oliver Freiburg:

 

Die Entscheidung des AG war zwar verständlich und für den Betroffenen ein gutes Ergebnis, der Betroffene und das Gericht hatten die Rechnung aber ohne die Staatsanwaltschaft gemacht. Was in der Praxis zuweilen übersehen wird: Auch die Staatsanwaltschaft, die regelmäßig an Terminen in Bußgeldsachen vor den Amtsgerichten nicht teilnimmt, ist doch als sozusagen unsichtbarer Dritter immer mit im Boot. Sie kann Rechtsbeschwerde einlegen - und die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft in Bußgeldsachen sind überdurchschnittlich häufig (im Vergleich zu Rechgtsbeschwerden von Anwälten) erfolgreich. Ob das an der angeblich so viel besseren Ausbildung oder Befähigung der Staatsanwälte liegt, wie manche behaupten, sei hier einmal dahingestellt. Das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls, und das ist der erste, verfahrensrechtliche Rat, aber sollten der Betroffene und sein Anwalt immer im Auge behalten, dass es nicht reicht, den/die Amtsrichter/in im Termin zur mündlichen Verhandlung gnädig zu stimmen. Man muss, wenn das Ergebnis halten soll, und gerade auch in den Fällen, in denen ein Fahrerlaubnisentzug wegen Erreichens der Punktegrenze droht, auch die abswesende StA "mitnehmen", d.h. vor der Entscheidung auf deren Zustimmung hinwirken. Die Verteidigung ist deshalb - auch aus anderen Gründen - besser aufgestellt, wenn Sie Einwendungen gegen den Bußgeldbescheid schriftlich vor dem Termin im AG erhebt und dafür sorgt, dass auch die StA davon Kenntnis erhält. Schon gar nicht ist es ratsam, in derartigen Fällen im Glücke des amtsgerichtlichen Erfolgs auf eine Rechtsbeschwerde zu verzichten.

Die zweite, für die Praxis wichtigere Konsequenz ist, dass ein freiwilliges Fahreignungsseminar grundsätzlich nicht geeignet ist, ein Regelfahrverbot in Wegfall zu bringen. Das war streitig und ist damit (erneut) zulasten des Fahrerlaubnisseminars geklärt, zumindest für Bayern. Das OLG Bamberg begründet dies damit, das das Fahreignungsseminar eine Rückstufung in der Punktezahl bezweckt, das Fahrverbot aber einen "Denkzettel deutlich vor Augen führen" soll. "Der Besuch eines solchen Seminars", so das OLG Bamberg, "wird zwar als Zeichen der Einsicht und Reue gewertet werden können; er kann das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots jedoch allenfalls dann rechtfertigen, wenn zusätzlich eine Vielzahl anderer Gesichtspunkte zugunsten des Täters spricht". Im Klartext: Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass die Teilnahme an einem freiwilligen Fahreignungsseminar ein Fahrverbot ausnahmsweise als nicht mehr erforderlich erscheinen läßt, ein solcher Fall ist praktisch aber fast unmöglich, d.h. der sog. weiße Elefant. Dies muss in der anwaltlichen Beratung beachtet werden: Der Anwalt sollte dem Mandanten nicht die Hoffnung machen, durch ein solches Fahreignungsseminar an einem Fahrverbot vorbei zu kommen. Rechtsstaatlich wäre es schön zu wissen, was man sich Betroffener und Verteidiger unter einer "Vielzahl anderer Gesichtspunkte zugunsten des Täters" vorzustellen hat, zumindest beispielhaft. Hier wird Hoffnung gegeben, die ein Wundschreiben der Finger indiziert, aber auch nicht ansatzweise erläutert, wie man um dieses Kap Horn herumsegeln kann. Insoweit ist das Urteil des OLG Bamberg zu unscharf.

 

 - Wildunfall

 

OLG München, Urt. v. 24.07.2014 - 10 U 3566/14: Voraussetungen für den Eintritt der Teilkaskosversicherung bei einem Wildunfall, Beweislastumkehr bei der Vernichtug von Spuren des Wildunfalls durch den Versicherer

 

Was war passiert? Der Kläger wollte Schadensersatz für einen Wildunfall von der Teilkaskoversicherung. Er behauptete, ein Fuchs sei von rechts auf die Straße gelaufen. Er sei mit dem Fuchs kollidiert, dann gegen den Randstein und in der Folge gegen eine Felsblock geprallt. Im Laufe des Verfahrens präzisierte er seinen Votrag danhingehend, dass er durch den Aufprall erschrocken sei und sein Fahrzeug deshalb nach rechts gelenkt habe. Er wollte rund 28.000 € Schadensersatz. Die Versicherung bestritt den Wildunfall. Ein vom Kläger an die Versicherung eingeschicktes Kennzeichen mit angeblichen Haarspuren des Fuchses wurde gereinigt an den Kläger zurückgeschickt. Ein Wildunfall sei nicht glaubwürdig. Der Kläger habe auch seinen Sachvortrag im Laufe des Verfahrens umgestellt.

Das OLG München entschied, wie auch das zuvor angerufene Landgericht, dass der Schadensersatzanspruch berechtigt sei. Zwar sei der Kläger beweispflichtig für den Wildunfall. Die schuldhafte Vernichtung von Beweismitteln durch den Versicherer habe es dem Kläger jedoch unmöglich gemacht, einen Wildunfall zu beweisen. Wegen der sog. Beweisvereitelung drehe sich die Beweislast. Die Versicherung habe dem Kläger aufgrund der schuldhaften Beweisvereitelung das Gegenteil beweisen müssen. Dass der Kläger seinen Sachvortrag im Laufe des Verfahrens umgestellt habe, stehe dem nicht entgegen, denn es handle sich lediglich um eine Präzisierzung des Sachvortrages.

 

Anm. Dr. Oliver Freiburg:

 

Der Ersatz von Wildschäden durch die Teilkaskoversicherung ist immer problematisch, wenn einem Tier ausgewichen wird. Kleineren Tieren darf schon nicht ausgewichen werden. Die sog. Wildschadensklausel in der Teilkaskoversicherung erfasst über Anstoßschäden hinaus auch solche Schäden, die durch eine Fehlreaktion infolge des Aufpralls eingetreten sind. Der Beweis fällt oft schwer. Die Versicherer sind auch skeptisch, denn es steht bei Ausweichunfällen ohne Kontaktspuren der Verdacht im Raum, dass der Halter die Vollkaskoversicherung sparen und über die Behauptung eines angeblichen Wildunfalls den Eigenschaden dennoch von der Versicherung einbringen möchte, also der Verdacht des Versicherungsbetruges. Dieser Verdacht erhärtet sich, wenn es sich um wertvolle Fahrzeuge ohne Vollkaskoversicherung handelt. Es gibt eine zu Wildunfallschäden eine Vielzahl von Urteilen, auch des BGH. Bei einem echten Wildunfall mit schwieriger Beweislage ist deshalb unbedingt anzuraten, fachlichen Rat einzuholen. Dazu gehört möglicherweise auch die Einschaltung eines Sachverständigen, der - wie hier - zuweilen wertvolle Hinweise geben kann. So wurde der Fuchs im vorliegenden Fall dank des Rates des Sachverständigen in der Nähe der Unfallstelle gefunden und Tierhaare am vorderen Kennzeichen ausgemacht. Der Versicherer ist gut beraten, ihm überlassene Beweismittel mit Sorgfalt zu behandeln.

 

- Waschanlage

 

OLG Karlsruhe, Urt. v. 24.06.2015 - 9 U 29/14: Abriss des serienmäßigen Spoilers, Schadensersatzpflicht des Betreibers

 

Der Fall: Ein Kunde gab einen Renault Wind Night & Day TCe 100, der serienmäßig mit einem Spoiler ausgestattet ist, in die Waschanlage. Dort riß der Spoiler ab. Der Betreiber wies eine Haftung zurück. Die Waschanlage habe ordnungsgemäß funktioniert und sei regelmäßig gewartet worden. Der Betreiber verwies im Übrigen auf seine allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dort war niedergelegt, dass eine Haftung des Waschanlagenbetreibers für nicht ordnungsgemäß befestigten oder nachträglich angebrachten Fahrzeugteilen, die nicht zur Serienausstattung gehören, ausgeschlossen sei, sofern dem Betreiber nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Der Kunde bekam Recht. Ihm wurde ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.020,09 € vom LG Freiburg und vom OLG Karlsruhe zugesprochen. Der Betreiber der Waschanlage habe, wenn die Waschanlage für Fahrzeuge. die serienmäßig mit Spoilern ausgestattet sind, nicht geeignet sei, das Fahrzeug nicht zur Wäsche annehmen dürfen.

 

Anm. Dr. Oliver Freiburg:

 

Schäden in Waschanlagen sind nicht selten. Zu durch oder in Waschanlagen entstandenen Schäden gibt es deshalb eine Vielzahl von Urteilen hoher und höchster Gerichte (s. z.B. BGH, DAR 2005, 154; OLG Saarbrücken, DAR 2013, 581). Was leicht übersehen wird, insoweit darf das vorstehende Urteil auch nicht mißverstanden werden: Der Kunde muss nachweisen, dass es durch die Waschanlage zu einem Schaden an seinem Fahrzeug gekommen ist. Das war dem Kläger hier durch eine Sachverständigengutachten gelungen. Ein abgerissener Spoiler ist ja auch kaum zu übersehen. In der Praxis wird ein Schadensersatzanspruch jedoch schon häufig an gerade dieser Voraussetzung scheitern. Dem Versuch des Betreibers, Schadensersatzansprüchen durch AGB zu entgehen, wurde vom Gericht ganz zu Recht eine Absage erteilt. AGB dürfen den Kunden nicht unangemessen benachteiligen und sind im Zweifel zugunsten des Kunden auszulegen (§§ 305 ff. BGB). Auch hier gilt also: im Zweifel einen Sachverständigen einschalten. Den bezahlt die Rechtsschutzversicherung, wenn eine entsprechende Klausel im RS-Vertrag vorhanden ist. Ansonsten wird, wie man so schön sagt, die Brüh´ teurer als die Fisch´. Wer ohne Verkehrsrechtsschutzversicherung Auto fährt, ist ohnehin nicht gut beraten. Dabei geht es, wie der vorliegende Fall auch zeigt, weniger um die Anwaltskosten, sondern im Kern um die Sachverständigenkosten. Deshalb sind auch die meisten Fachanwälte für Verkehrsrecht selbst verkehrsrechtsschutzversichert, was sie aus rechtlicher Sicht wohl kaum sein müßten.